mit Flavio Bucci, Macha Méril Macha Méril, Gianfranco De Grassi
Regie: Aldo Lado
Margaret und Lisa wollen eigentlich nur in den Weihnachtsferien Ihrem Studienstress entfliehen und steigen in München in den Nachtzug nach Mailand, um die Ferien bei Lisas Eltern zu verbringen. Noch ahnen die Mädchen nicht, dass dies eine Fahrt in die Hölle werden würde. Mit an Bord sind zwei drogensüchtige Gewaltverbrecher und eine Dame mit abgründigen Gelüsten. Blackie und Curly sind auf Terror aus und begegnen der namenlosen Dame im vollen Abteil. Diese lässt die rüden Annäherungsversuche der beiden über sich ergehen und leistet auch bei der darauf folgenden Vergewaltigung keinen Widerstand, sondern ergibt sich dem perversen Arrangement. Nun werden die Mädchen Opfer des diabolischen Trios bei dem zusehendes die feine Dame die Kontrolle übernimmt und ihrem unterdrückten Sadismus freien Lauf lässt.
Die Misshandlungen gipfeln in Vergewaltigung und Mord und werden gekonnt mit Dinnerszenen im italienischen Elternhaus gegenschnitten. Hier ist Gewalt und die Frage nach deren Legitimation Zentrum einer akademischen Diskussion bei Tisch. Während der Leiden der Mädchen wird der Zuschauer Zeuge, wie sich das Bildungsbürgertum in der wohligen Atmosphäre der Vernunft in Sicherheit vor dem Animalischen wähnt. Diese Vernunft könne den Trieb stets bändigen. Doch die so aufgeklärte Sicht der Eltern soll alsbald genau in diesen Punkten auf die Probe gestellt werden.
Was anfänglich wie eine italienischer Nachklapp auf „The Last House on the Left“ anmutet und auch ähnlich angelegt ist, entpuppt sich unter dem voyeuristischen Mantel eines Bahnhofskinostreifens doch als herbe und schonungslose Parabel auf die Ständegesellschaft der Moderne. Die Gewalt, die der Unterschicht bereits mit der Muttermilch zugeführt wird und für sie als Schicksal unausweichlich scheint, erscheint in Zeiten der Ruhe und des Friedens der gebildeten Oberschicht als ein Relikt längst überwundener Evolutionsstufen. Die bigotte Mittelschicht, verkörpert durch die Dame im Zug, geifert nach Macht die unter ihr stehenden zu kontrollieren und verspürt gleichzeitig den Drang sich den Oberen anzubiedern. Für Blackie und seinen Junkiefreund scheint die Gewalt in ihren Biografien vorbestimmt, für Lisas Eltern und ihren elitären Tafelspitzzirkel, ihre Abwesenheit die Ernte ihrer vermeintlichen kulturellen Überlegenheit. Als perfiden Impulsgeber von Gewalt und Dulder von Unmenschlichkeiten stellt der Regisseur hier aber die durch unterdrückte Sexualität, Scheinheiligkeit und alles zerfressenden Neid ihrer Identität beraubte Bourgeoisie vor Gericht. Am Ende scheint jedoch niemand unausweichlichen Konsequenzen entkommen zu können. Hierzu ertönt wie zur Verhöhnung aller Ennio Morricones Mundharmonika.
Quelle Beitragsbild: http://www.mondo-digital.com/nighttrain.html